Abstrakte Illustration zum Thema überempfindliche Zähne als Schmuckelement

Überempfindliche (“dentinempfindliche”) Zähne – ein häufiges, aber wenig beachtetes Problem

In meiner bisherigen Praxistätigkeit in Erlangen und Nürnberg konnte ich feststellen, dass fast die Hälfte meiner Patienten unter derartigen Beschwerden leiden. Doch kaum jemand ist sich bewusst, dass es sich hierbei um eine Erkrankung handelt, der man vorbeugen kann und die sich gut und relativ einfach behandeln lässt.

Anfangs ist meist nur ein leichtes Ziehen beim Essen oder Trinken zu spüren, später können sich diese Missempfindungen auch zu einem stechenden Schmerz verstärken.

Was viele Patienten für die typischen Beschwerden einer beginnenden Karies halten, sind doch oft die typischen Symptome “überempfindlicher” Zähne.

Diese Volkskrankheit, die in den letzten Jahren mehr und mehr Beachtung findet, ist keineswegs ein Phänomen des höheren Alters. Im Gegenteil – am häufigsten betroffen ist die Altersgruppe zwischen 20 und 50 Jahren, wobei der Erkrankungsgipfel zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr liegt. Aufgrund des oft mangelnden Bewusstseins für dieses Problem begeben sich nur wenige Betroffene bewusst in Behandlung. Meist ist der Leidensdruck schon sehr groß, bis ein Zahnarzt aufgesucht wird.

Die Diagnose wird daher in der Regel eher zufällig im Rahmen einer Routineuntersuchung gestellt.

Ein Symptom mit vielen Namen

Wer sich durch die Fachliteratur zum Thema überempfindliche Zähne liest, kann hinterher recht verwirrt sein, denn in diesem noch recht jungen Forschungsgebiet konnte man sich bisher doch noch nicht auf einen einheitlichen Begriff für die Erkrankung einigen. Je nach Autor werden daher unterschiedliche Bezeichnungen verwendet.

So sprechen einige von „Wurzelsensitivität”, andere wiederum von „Zementhypersensitivität”. Dasselbe meinen aber auch Begriffe wie „Zahnhalsüberempfindlichkeit” oder „dentine Hypersensitivität”. Der Ausdruck „Dentinempfindlichkeit”, der das klinische Bild wohl am besten wiedergibt, wird heute von den meisten Fachleuten anerkannt. Gleichwohl ist auch dieser Begriff nicht ganz korrekt, denn nicht das Dentin selbst ist empfindlich, sondern es überträgt bloß den Reiz auf die Nervenfasern im Inneren des Zahnes.

Zahnaufbau und “Dentinempfindlichkeit”

Unsere Zähne sind aus mehreren Schichten aufgebaut, die unterschiedlich hart und auch unterschiedlich strukturiert sind. Die Hauptmasse des Zahns besteht aus dem innen liegenden Dentin, einer knochenähnlichen und mit feinen Kanälchen durchzogenen Substanz, die das Zahnmark (Pulpa) mit seinen Nerven und Blutgefäßen umschließt. Das relativ weiche Dentin wird im Bereich der Zahnkrone durch den härteren Zahnschmelz geschützt, der zum Zahnhals hin – also in Richtung Zahnfleisch – zunehmend dünner wird. In diesem Bereich und an der Wurzel wird die “isolierende” Schutzfunktion vom deutlich weicheren Zahnzement übernommen.

Zahnschmelz, Dentin und Zahnzement bilden gemeinsam die Zahnhartsubstanzen.

Die besondere Widerstandsfähigkeit des Zahnschmelzes, der härtesten Verbindung im ganzen Körper, beruht darauf, dass er zu 95 Prozent aus Apatit besteht. Dieses kristalline Mineral wird vorwiegend aus Kalzium und Phosphat gebildet und ist für wasserlösliche Stoffe kaum durchlässig. Auch Dentin und Zahnzement bestehen aus Apatit, jedoch nur zu etwa zwei Dritteln. Die restlichen Anteile werden von Wasser und organischen Substanzen wie Eiweiß gebildet.

Dentinempfindliche Zähne sind die Folge von Zahnhartsubstanzverlust. Das bedeutet, Zahnschmelz oder Zahnzement werden so weit abgetragen, dass das Zahnbein (Dentin) freigelegt wird. Die feinen, mit Flüssigkeit gefüllten Kanälchen (Tubuli) im Dentin kommen hierdurch in direkten Kontakt mit der Mundhöhle.

Bei einem Reiz durch Kälte, Wärme oder Berührung gerät die Flüssigkeit im Inneren dieser Kanälchen in Bewegung und reizt so die Nervenfasern an der Grenze zwischen dem Dentin und der Pulpa, was einen kurzen, scharfen Schmerz hervorruft.

Während es bei der Abnutzung des widerstandsfähigen Schmelzes an der Zahnkrone etwas länger dauern kann, bis sich Schmerzen einstellen, läuft dieser Prozess an der dünneren Schmelzschicht und dem weicheren Zement des Zahnhalses sehr viel rascher ab. Voraussetzung ist allerdings, dass er nicht mehr vom Zahnfleisch geschützt wird, wie zum Beispiel beim Vorliegen einer Zahnfleischentzündung (Parodontitis).

Hieraus erklärt sich auch, dass gerade diese Patientengruppe besonders häufig unter dentinempfindlichen Zähnen leidet.

Die Diagnose dentinempfindlicher Zähne

Auch für den Zahnarzt ist ein sichtbarer Verlust von Zahnhartsubstanz zunächst nur einer der möglichen Gründe für eine Dentinempfindlichkeit. Im Rahmen der Diagnostik gilt es, andere potenzielle Ursachen für die Schmerzen ausschließen.

Hierbei kann es sich beispielsweise um Karies, Zahnfrakturen (Risse im Zahn), undichte Füllungen, Zahnfleischerkrankungen oder freiliegende Zahnhälse in der betreffenden Region handeln. Oft reicht bereits eine kurze Untersuchung aus, um eine Klärung herbeizuführen. Ist das nicht der Fall, wird der Zahnarzt versuchen, durch eine genauere Befragung seines Patienten weitere Erkenntnisse zu gewinnen.

Fragen zur Symptomatik richten sich dabei vor allem nach der genauen Lokalisation, der Intensität, der Häufigkeit, dem Zeitpunkt, dem Auslöser und der Dauer der Schmerzen. Auch die Art des Schmerzes (dumpf oder stechend) ist von wesentlicher Bedeutung für die Diagnose. Die jüngere Krankengeschichte des Patienten kann ebenfalls wertvolle Hinweise liefern, etwa ob er kürzlich eine Parodontitisbehandlung oder eine neue Füllung erhalten hat.

Kriterien der Diagnose “Dentinüberempfindlichkeit”

Anhand der Angaben des Patienten in Kombination mit dem Untersuchungsergebnis der Zähne kann der Zahnarzt die Diagnose “Dentinüberempfindlichkeit” erst dann sicher stellen, wenn alle der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • An den betroffenen Zähnen ist freiliegendes Dentin nachweisbar.
  • Der Schmerz lässt sich durch Kälte, Wärme, Luft oder Berührung mit einem zahnärztlichen Instrument auslösen.
  • Das Schmerzempfinden ist reizabhängig, was bedeutet, dass die Beschwerden bei Reizeinwirkung auftreten und schnell (innerhalb einiger Sekunden) verschwinden, wenn der Reiz endet.
  • Der Schmerz wird als ziehend-stechend beschrieben.

Ursachen der Dentinüberempfindlichkeit

Als ein Auslöser – neben der Dentinempfindlichkeit durch Zahnfleischrückgang – für das zunehmende Auftreten vorzeitiger Zahnhartsubstanzabnutzung und damit auch dentinempfindlicher Zähne wurden vor allem Änderungen in unserem Lebensstil identifiziert.

Wir essen heute öfter als früher kleinere Mahlzeiten oder Snacks, was unsere Zähne insgesamt stärker beansprucht. Wir ernähren uns gesünder (und das ist gut so!), indem wir mehr Obst und Gemüse verzehren, wobei die darin enthaltenen Fruchtsäuren Kalzium und Phosphat aus dem Zahnschmelz lösen und ihn dadurch aufweichen. Auch saure Säfte, Wein oder der Zusatzstoff Phosphorsäure in den beliebten Softdrinks bewirken ein Aufweichen des Zahnschmelzes. Gleiches gilt für das Aufsteigen von Magensäure in den Mund bei den heute sehr verbreiteten Refluxerkrankungen wie das Sodbrennen.

Was vielen Menschen nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass auch eine intensive Mundhygiene zu einem vorzeitigen Verlust der Zahnhartsubstanz beitragen kann. Das beginnt schon mit dem Zähneputzen nach dem Essen!

Wer dies unmittelbar nach einer säurehaltigen Mahlzeit tut, putzt sich den erweichten Zahnschmelz besonders leicht weg. Die Zahnoberfläche benötigt mindestens eine Stunde, bis sie durch die aus dem Speichel aufgenommenen Mineralien wieder ihre ursprüngliche Härte zurück gewonnen hat (Remineralisation). Wird vorher geputzt, bewirken vor allem die Schleifmittel in der Zahnpasta, aber auch harte Zahnbürsten und zu starkes Aufdrücken (“Schrubben”), dass vermehrt Zahnhartsubstanz verloren geht.

Wer die Zeitspanne zwischen dem Ende der Mahlzeit und dem Zähneputzen etwas verkürzen möchte, kann dies mit dem Genuss eines Zahnpflegekaugummis / -bonbons tun oder besser noch eine fluoridhaltige Mundspülung benutzen. Trotzdem ist es sinnvoll, mindestens 30 Minuten bis zum Zähneputzen abzuwarten.

Besonders häufig treten schmerzempfindliche Zähne auch nach einer Zahnaufhellung (Bleaching) auf. Auch nach einer Parodontalbehandlung wird dieses Beschwerdebild beobachtet. Der Rückgang der Entzündung bewirkt ein Abschwellen des Zahnfleisches (ein positiver, gewünschter Effekt und ein Beweis für den Erfolg der Behandlung), aber man hat den Eindruck, das Zahnfleisch würde sich etwas zurückziehen.

Eine mögliche Folge:
Der Zahnhals wird nicht mehr vom Zahnfleisch geschützt wird, sodass dort die Dentinkanälchen stellenweise frei liegen. Insbesondere direkt nach einer Parodontalbehandlung weisen 50 bis 75% der Patienten diese Symptomatik kurzzeitig auf.

Das sollte aber bitte keinen Patienten mit einer Parodontalerkrankung dazu veranlassen, vor der notwendigen Behandlung zurückzuschrecken, denn eine unbehandelte Parodontitis führt zum Zahnverlust! Sie dürfen dazu auch gerne meinen Artikel zum Thema Parodontitis lesen.

Maßnahmen zur Vorbeugen und Behandlungsmöglichkeiten dentinempfindlicher Zähne

Grundsätzlich bietet sich folgende Behandlungsmöglichkeiten für überempfindliche Zähne an:
Der Verschluss der Dentinkanälchen!
Das hat eine Unterbrechung der Flüssigkeitsbewegung in diesen zur Folge, wodurch die Reizung der Nervenfasern unterbleibt. Dies wird zum Beispiel in der Praxis mit dem Auftragen einer spezieller Wirkstofflösung auf die betroffenen Bereiche erreicht. Zu Hause kann der Patient diese Maßnahme mit der Anwendung spezieller Mundhygieneprodukte unterstützen und die Wirkung aufrechterhalten.

Die auf dem Markt befindlichen und auf Patienten mit dieser Problematik zugeschnittenen Mundhygieneprodukte haben mehrfach ihre klinische, erfolgreiche Anwendung belegt und gelten heute als Basisempfehlung für Patienten mit dentinempfindlichen Zähnen.

Ich berate sie diesbezüglich sehr gerne in meiner Zahnarztpraxis in Nürnberg!

Therapeutisch invasive Lösungen wie Zahnhalsfüllungen oder gar das Entfernen des Zahnnervs (Wurzelbehandlung) sollten allenfalls als allerletzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden – und auch nur dann, wenn diese Maßnahme sinnvoll und angebracht ist.