Mund- und Zahnpflege bei Pflegebedürftigen
Wenn ältere, behinderte oder pflegebedürftige Personen ihre Arme und Hände nicht ausreichend bewegen können oder schlicht vergessen, sich die Zähne zu putzen, wird auch diese Aufgabe früher oder später pflegenden Angehörigen oder professionell Pflegenden zuteil.
Wenn ein Schlaganfall oder Parkinson die Bewegungsmöglichkeiten einschränken, heißt das aber noch lange nicht, dass Ihr pflegebedürftiger Angehöriger sich nun nicht mehr selbst die Zähne putzen kann. Es gibt eine ganze Reihe von pfiffigen Ideen, eine Zahnbürste so umzurüsten, dass sie auch von einer Person genutzt werden kann, die nicht mehr richtig greifen kann.
TIPP: Wenn Ihr pflegebedürftiger Angehöriger sich nicht mehr selbst die Zähne gründlich genug putzen kann, leistet eine elektrische Zahnbürste gute Hilfe. Sie ist einfach anzuwenden, schützt das Zahnfleisch vor Verletzungen und sorgt für saubere Zähne. Schon günstige Modelle haben eine gute Reinigungswirkung.
Eine gute Mund- und Zahngesundheit trägt zum allgemeinen Gesundheitszustand bei und sorgt dafür, dass sich kein Bakterienfilm bildet und keine Entzündungen entstehen. Ein Zusammenhang zwischen Entzündungen des Mundraums und Erkrankungen wie Herzinfarkt, Lungenentzündung oder Schlaganfall besteht. Über die Blutbahn können Bakterien leicht aus der Mundhöhle zu anderen Organen gelangen – und das kann Folgen haben.
MERKE: Fehlende Zahnpflege erhöht Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Mundpflege in der häuslichen Pflege: Warum ist sie so wichtig?
Viele Pflegebedürftige, die zu Hause betreut werden, leiden an Erkrankungen, die die Mundgesundheit beeinflussen, wie:
- Diabetes mellitus
- Demenz
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Schlaganfal
- Parkinson
Diabetes ist ein Risikofaktor für Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparates).
Demenz schränkt das Verständnis über Mundpflege ein.
Medikamente gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen können den Speichelfluss reduzieren.
Ein Schlaganfall kann die Bewegungsfähigkeit einschränken und eine Schluckstörung auslösen – ebenso Parkinson.
Zudem können diverse Medikamente die Mundgesundheit negativ beeinflussen, weil sie z. B. Mundtrockenheit verursachen.
Eine gute Mundgesundheit ist wichtig, denn die häufigsten Munderkrankungen lassen sich durch eine gute Prophylaxe (Vorbeugung) verhindern:
- Gingivitis = Zahnfleischentzündung (wird durch Bakterien, Viren oder Pilze ausgelöst)
- Glossitis = Zungenentzündung (tritt oft mit Gingivitis zusammen auf)
- Stomatitis = Entzündung der Mundschleimhaut (tritt oft mit Gingivitis zusammen auf)
- Parodontitis = Entzündung des Zahnhalteapparates, Zahnfleischtaschen, Knochenabbau (oft durch mangelnde Zahnhygiene ausgelöst)
- Mundsoor = Pilzbefall der Mundschleimhaut (oft bei älteren Menschen, bedingt durch schwächeres Immunsystem, schlecht gereinigte Prothesen oder eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr)
- Rhagaden = Einrisse an Mund-/Nasenwinkel bzw. auf der Zunge (durch trockene Schleimhäute, evtl. Vitamin- und Mineralstoffmangel)
Anleitung & Tipps zur Mundpflege bei Pflegebedürftigen
Die schlechtere Mundgesundheit bei Pflegebedürftigkeit hat viele Ursachen, aber die wichtigsten Tipps für mehr Mundgesundheit sind dagegen rasch aufgezählt:
- Reinigen Sie zweimal täglich die Zähne und Zahnzwischenräume Ihres pflegebedürftigen Angehörigen. Achten Sie dabei auch auf eventuelle Verletzungen im Mundraum sowie Beläge auf der Zunge.
- Verwenden Sie eine weiche Zahnbürste. Damit sinkt die Verletzungsgefahr des Zahnfleisches und die Zahnreinigung ist angenehmer.
- Gehen Sie mit Ihrem pflegebedürftigen Angehörigen zur regelmäßigen Kontrolle zum Zahnarzt. In meiner Zahnarztpraxis in Nürnberg überprüfe ich dabei auch Zunge und Schleimhäute (Mundhöhlenkrebs-Vorsorge).
- Vereinbaren Sie für Ihren Angehörigen regelmäßige Termine zur professionellen Zahnreinigung. Experten empfehlen z. B. für Schlaganfall-Patienten eine professionelle Zahnreinigung alle drei Monate.
- Sorgen Sie für einen guten Speichelfluss, z. B. indem Sie Ihrem Angehörigen ab und zu zuckerfreie Bonbons reichen und auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.
- Tauschen Sie die Zahnbürste Ihres Angehörigen regelmäßig aus. Als Empfehlung gilt: alle zwei Monate oder direkt nach einer Infektion oder Erkältung.
- Benutzen Sie milde Zahncremes, die die Schleimhaut nicht reizen.
- Reinigen Sie auch die Prothese Ihres Angehörigen regelmäßig und v. a. nach den Mahlzeiten.
- Bei leichten Entzündungen eignen sich auch Tees zur Mundspülung (Ringelblume, Salbei oder auch Thymian). Kamillentee empfiehlt sich nur in Maßen, da Kamille zwar entzündungshemmend wirkt, aber bei übermäßigem Konsum die Mundschleimhaut austrocknen kann.
- Achten Sie vor der Verwendung von Hausmitteln aber auch auf Nebenwirkungen und Allergien (z. B. bei Ringelblume)!
TIPP: Verzichten Sie auf Zigaretten und Alkohol
Auch der Verzicht auf Alkohol und Zigaretten stärkt die Mundgesundheit.
Wie gelingt die Zahnpflege bei Pflegebedürftigen?
Jede gute Zahnpflege läuft nach einem ähnlichen Muster ab.
Egal ob Sie Ihren pflegebedürftigen Angehörigen dazu anleiten oder die Zahnpflege komplett für ihn übernehmen. Beachten Sie dabei folgende drei Grundregeln:
- Reinigen Sie die Innenseiten der Zähne.
- Reinigen Sie die Außenseite der Zähne.
- Reinigen Sie die Kauflächen.
Was ist, wenn Ihr Pflegebedürftiger den Mund schließt und die Reinigung als unangenehm oder sogar bedrohlich empfindet? Versuchen Sie dann nicht, die Zahnpflege trotzdem durchzuführen, sondern sprechen Sie in Ruhe mit Ihrem Angehörigen über die Notwendigkeit der Zahnpflege. Sollte er keine Bereitschaft zeigen, so holen Sie sich praktische Tipps von Ihrem Zahnarzt oder auch gerne bei mir in meiner Zahnarztpraxis in Nürnberg-Zerzabelshof.
Welche Zahnpasta und Pflegeprodukte sollte man verwenden?
Welche Zahnpasta, Mundspülung oder Zahnseide dabei zum Einsatz kommt, sollte der Pflegebedürftige selbst bestimmen dürfen bzw. der behandelnde Zahnarzt empfehlen.
Fragen Sie Ihren Angehörigen auch, ob er eine Vorliebe für Zahnseide, Zahnzwischenraum-Bürsten oder hygienische Zahnstocher hat und ob er sie selbst verwenden möchte oder Sie das für ihn übernehmen sollen.
Nur bei der Anwendung sollten Sie ihn unterstützen oder zumindest nicht allein lassen.
Gerade Menschen mit Demenz vergessen manchmal, was sie eigentlich tun wollten und wie sie es am geschicktesten tun sollten – und können sich deshalb unbeabsichtigt verletzen oder einfach vergessen, eine Handlung zu vollziehen.
Wie sollten Sie sich als pflegender Angehöriger selbst bei der Zahnpflege Ihres Angehörigen schützen?
Bevor Sie Ihren pflegebedürftigen Angehörigen bei der Reinigung der Zähne zur Seite stehen, sollten Sie sich gründlich die Hände waschen bzw. bei Infektionen oder offenen Wunden Einmalhandschuhe tragen. So vermeiden Sie es, Bakterien zu übertragen. Gerade wenn Ihr pflegebedürftiger Angehöriger an Mundsoor leidet, müssen Sie sich schützen, denn dieser Pilz kann übertragen werden – auch durch die Hände.
Wie gelingt die Reinigung einer Prothese?
Auch die Prothese verlangt nach täglicher Reinigung, denn hier setzen sich besonders schnell Bakterien fest. Außerdem verhindert eine gut gepflegte Prothese Mundgeruch.
Deshalb sollten Sie die Prothese nach jeder Mahlzeit mit Wasser abspülen und zweimal täglich mit einer Prothesenbürste und Zahnpasta gründlich reinigen.
Tragen Sie dazu Einmalhandschuhe.
TIPP: Legen Sie beim Putzen der Prothese einen Waschlappen ins Waschbecken.
Sollte Ihnen die Prothese beim Putzen aus der Hand rutschen, kann sie brechen, wenn sie ins Waschbecken fällt. Ein Waschlappen federt die Prothese ab und verhindert Schäden.
TIPP: Verwenden Sie eine spezielle Prothesenbürsten und normale Zahnpasta
Reinigen Sie die Prothese Ihres Angehörigen zweimal täglich, morgens und abends, wie normale Zähne. Ich empfehle für die Reinigung der Prothese zudem ganz normale Zahnpasta (und keine speziellen Prothesen-Pasten), dafür aber eine spezielle Prothesenzahnbürste. Diese sind speziell geformt und erleichtern die Reinigung der Prothese.
Wenn Ihr Angehöriger eine Prothese trägt, sollten Sie bei der Mundpflege und Prothesenpflege unbedingt auch darauf achten, ob die Prothese noch gut sitzt und ob es keine Druckstellen im Mund gibt.
Druckstellen können sich entzünden und Infektionen auslösen und die Mundschleimhaut verletzen. Gehen Sie mit Ihrem Angehörigen bei Beschwerden sofort zum Zahnarzt.
Eine schlecht sitzende Prothese kann z. B. auch die Ursache einer Mangelernährung sein, wenn Ihr Angehöriger aufgrund von Schmerzen beim Essen nichts mehr oder nur sehr wenig isst.
Vorübergehend könnte auch die Versorgung mit Trinknahrung eine gute Lösung sein, um die ausreichende Ernährung im Alter sicherzustellen.
- Vorsicht vor Gebissreiniger-Tabs:
Von der täglichen Reinigung mit Prothesen-Tabs (Gebissreiniger) rate ich ab, da der Kunststoff der Prothese dadurch sehr spröde wird und die Prothese dadurch leichter brechen kann. Legen Sie die Prothese Ihres Angehörigen daher maximal zweimal pro Monat mit Gebissreiniger ein und lassen Sie die Prothese lieber einmal jährlich professionell beim Zahnarzt reinigen. - Extra-Tipp für Teleskop-Prothesen:
Die „Käppchen“ von Teleskop-Prothesen lassen sich mit Zahnbürsten nicht oder nur schlecht reinigen. Besser eignen sich Wattestäbchen, mit denen Sie gut und gründlich in die Teleskop-Kronen kommen.
Anleitung & Tipps: Zahnpflege bei Pflegebedürftigen
Wenn Sie Ihren pflegebedürftigen Angehörigen bei der Zahnpflege unterstützen möchten, müssen Sie ein paar Dinge beachten:
- Informieren Sie Ihren Angehörigen in Ruhe, was Sie tun wollen, bevor Sie es tun. Vor allem Menschen mit Demenz, die nur bedingt ansprechbar sind, brauchen eine ruhige und verständliche Ansprache. Nehmen Sie sich dafür die Zeit!
- Ganz wichtig: Ihr Angehöriger sollte sich in einer aufrechten Sitzposition befinden. Falls er zur Zahnpflege im Bett bleiben muss, stellen Sie das Kopfteil so weit es geht nach oben oder bitten Sie ihn, sich auf die Bettkante zu setzen. Es besteht sonst die Gefahr, dass sich Ihr Angehöriger verschluckt.
- Legen Sie alle Utensilien für die Zahnpflege griffbereit. Wenn Sie Ihrem Angehörigen im Bett die Zähne putzen wollen, benötigen Sie dafür zusätzlich einen Becher mit Wasser und eine Schale zum Ausspülen und Ausspucken.
TIPP: Nutzen Sie dafür eine ausreichend große Schale!
Dann kann Ihr Angehöriger beherzt ausspucken und es „geht weniger daneben“.
- Stellen oder setzen Sie sich hinter ihn und halten Sie seinen Kopf sanft mit einem Arm fest.
- Reinigen Sie die Zähne am besten mit einer elektrischen Zahnbürste mit weichen Borsten vom Zahnfleisch zum Zahn hin – in kleinen, kreisenden Bewegungen.
- Nutzen Sie ggf. einen Zungenschaber, um auch Beläge auf der Zunge Ihres Angehörigen zu entfernen. Bedenken Sie dabei aber, dass einige Personen dabei einen starken Würgereiz verspüren. Sollte die Zungenreinigung so nicht möglich sein, dann verzichten Sie darauf, statt Ihren Angehörigen damit zu quälen.
- Nutzen Sie Zahnzwischenraum-Bürsten oder Zahnseide, um die Zwischenräume zu reinigen.
TIPP: Statt Zahnseide besser Zahnzwischenraumbürsten mit längerem Griff nutzen.
Die Zahnzwischenraum-Bürsten (Interdental-Bürstchen) werden einfach auf einen passenden dünnen Grif gesteckt. Das erleichtert pflegenden Angehörigen die Reinigung zwischen den Zähnen enorm und mindert den Würgereiz des Patienten. Dank des längeren Griffs kommt man auch an die Backenzähne des Patienten.
- Lassen Sie Ihren Angehörigen nach dem Zähneputzen gründlich ausspülen und ausspucken.
- Manchmal reißen die Mundwinkel durch das weite Aufreißen des Mundes leicht auf. Pflegen Sie die äußeren Mundwinkel in dem Falle mit etwas Vaseline.
Falls Sie darin ungeübt oder unsicher sind, bitten Sie Ihren Zahnarzt beim nächsten Besuch um praktische Tipps.
WICHTIG:
Wenn Sie die Zähne nicht putzen können, weil Ihr pflegebedürftiger Angehöriger den Mund nicht mehr öffnen kann oder will, können Sie versuchen, die Zähne und die Mundhöhle mit einem Tupfer und einer entzündungshemmenden Lösung oder einem Kräutertee zu reinigen. Auch hier ist es wichtig, dass Ihr Angehöriger aufrecht sitzt, damit er sich nicht verschlucken kann. Zudem sollte die entzündungshemmende Lösung mild sein, um bei Ihrem Angehörigen keine Schmerzen zu verursachen, die er womöglich nicht äußern kann.
Prothese vertauscht in der Pflegeeinrichtung?
Aus meiner Erfahrung in der Versorgung von Pflegeheim-Bewohnern in Nürnberg weiß ich, dass unter den Bewohnern nicht selten Prothesen vertauscht werden. Handelt es sich um Vollprothesen, ist es für Pflegekräfte nur sehr schwer zu unterscheiden, welche Prothese welchem Bewohner gehört.
TIPP: Lassen Sie sich vom behandelnden Zahnarzt eine kleine Markierung in die Prothese gravieren. So gehört z. B. Frau Müller die Prothese mit der Dreieck-Gravur und Herrn Huber die Prothese mit dem kleinen Punkt.